Viva Los Tioz
  Geschichte der Onkelz 3
 

Die Geschichte der Onkelz 3

2002: Die Skandalsingle und der Gegenschlag der Onkelz
Das Jahr 2002 beginnt gut für die Böhsen Onkelz. Die Texte für das neue Album schreibt Stephan Weidner in Irland, die ersten Einspielungen der neuen Songs entstehen auf Ibiza. In seiner typischen Eigenart greift Stephan Weidner das Thema "MTV - Masters" noch einmal auf und schreibt den Song "Keine Amnestie für MTV", der als Singleauskopplung am 18. Februar 2002 auf rule23 veröffentlicht wird. Nicht nur wird der Text des Liedes bis zum Veröffentlichungstag geheim gehalten, sondern man überlegt sich für diesen Tag auch eine begleitende Aktion. Ohne die großen TV-Medien oder die Tagespresse davon zu informieren, fährt Stephan Weidner in Begleitung des Bandmanagements und ca.70-80 Onkelzfans in die Fußgängerzone vor dem Münchener Rathaus vor und lädt einen 40t Sandkipper mit 150 schrottreifen Fernsehern ab. Eine Aktion, die auf die "Verblödung" durch das deutsche Fernsehen aufmerksam machen soll. Der Musiksender MTV berichtet am gleichen Tag über diese Aktion und spielt sie als lächerlichen und albernen Kinderstreich herunter.

Eine Woche später steigt die Single auf Platz 2 in die Top 100 Single Media Control Charts ein. Große Ladenketten wie WOM beginnen nun die Böhsen Onkelz in ihr Programm aufzunehmen und handeln somit entgegen ihren noch vor kurzer Zeit verkündeten "Onkelz? -Bei-uns-niemals"-Strategien. Daß die Onkelz nun auch für große Handelsketten ein nicht mehr zu ignorierender Wirtschaftsfaktor geworden sind, läßt sich nicht mehr leugnen. Der "Stachel" der angeblich niemanden mehr juckt, scheint den Musiksender MTV eben doch zu jucken. Dort versucht man witzig zu sein und läßt mehrmals pro Tag ein zusammengeschnittenes Backstreetboys- und N-Sync-video zum MTV-Song der Onkelz laufen, was zur Folge hat, daß der Song, der inzwischen auf die Position 8 gerutscht ist, eine Woche später wieder auf die 4 steigt.

Um zu demonstrieren, daß sie unberechenbar auch für ihre Fans bleiben wollen und nie die Lust am experimentieren verlieren, veröffentlichen die Böhsen Onkelz auf ihrer Single auch zwei Coverversionen. "Coz I luv you" von den englischen Glamrockern "Slade" aus den siebziger Jahren, verdeutlicht, daß die Onkelz auch vor einem englischen Song nicht zurückschrecken. Um noch einen draufzusetzen, wagen sie sich ebenfalls an eine Interpretation des Skandalsongs der sechziger Jahre von Serge Gainsbourgh - "Je t `aime, moi non plus". Wider Erwarten regen sich die Onkelzfans darüber aber keineswegs auf, sondern nehmen die beiden Songs so auf, wie man sie auch gedacht hatte, als einen großen Spaß.
Das Album "Dopamin"...
...erscheint am 15.04.2002 auf rule23 und steigt eine Woche später von null auf Platz E.I.N.S. in die Media Control Top 100 Albumcharts ein. Ausgebrütet auf Ibiza, geschrieben in Irland und gemixt in Frankfurt und in den legendären Londoner Abbey Road Studios, legen die Böhsen Onkelz mit ihrem 15ten Studioalbum ein ungewohnt positives und sonniges Werk vor. Außer Titelstories in den großen Rock Magazinen "Metal Hammer" und "Rock Hard"arbeiten die Böhsen Onkelz nicht mit der Presse zusammen. Man geht sogar noch einen Schritt weiter und verweigert den Journalisten und Fotografen der Tagespresse die Akkreditierungen zu den Konzerten der anstehenden Tour. Ab dem 19.Mai gehen die Böhsen Onkelz mit "Dopamin" auf eine ausgedehnte sechswöchige Deutschland Tournee. Die 28 Konzerte sind über 90% ausgelastet und erreichen eine Zuschauerrekordzahl von mehr als 200.000 Fans. Über diese Tour berichtet Edmund Hartsch in einer täglichen Online-Berichterstattung auf der Homepage der Onkelz (siehe Tourtagebuch bei Tour 2002).
Metal Hammer Mai 2002
Also hast Du die Schnauze voll, Dich immer wieder erklären zu müssen?

Ja, es ist vor allen Dingen frustrierend, in der Öffentlichkeit als Fascho hingestellt zu werden. Ich fühle mich nicht als Faschist, fühlte mich auch nie als ein solcher. Aber, und den Schuh muss ich mir anziehen, ich habe
Dinge gesagt und getan, die darauf hindeuten. Daran gibt es nichts zu beschönigen. Aber muss ich mich als 38-jähriger denn immer noch für etwas rechtfertigen, das ich als 16-jähriger tat? Dazu ist mir meine Zeit zu schade. Die verbringe ich lieber mit meiner Familie oder mache Musik.
Glücklicherweise sind nicht alle so verbohrt. Wir bekommen auch positives Feedback, so dass ich auf den Rest getrost verzichten kann.

Welche Erfahrungen hättest Du am liebsten nie gemacht?

Schwierige Frage. Ich hätte darauf verzichten können, als Nazi hingestellt zu werden.

2003: Das Jahr 2003 wird im Februar mit einer späten „Ehrung“ für DOPAMIN eingeläutet...
Zum zweiten Mal nach 2001 waren die Onkelz für den Echo in der Kategorie „Beste Band Rock/Pop national“ nominiert – zusammen mit Szene-Koryphäen wie „Wonderwall“, den „No Angels“ oder „Bro´Sis“, dazu noch die Hosen. Natürlich war es weniger der Wertschätzung durch die Musikindustrie zu verdanken, als den wieder einmal sehr starken Verkaufszahlen der Onkelz, dass man in den Kreis aufgenommen wurde. Dass die Onkelz letztendlich sowieso nicht gewinnen würden, war jedem von vornherein klar... Da es von den Onkelz wieder mal keinen Clip gab, brach bei der zuständigen Produktionsfirma im Vorfeld der Sendung der Angstschweiss aus. „Was sollen wir denn bei Ihnen machen, ich meine, Sie haben ja keinen Clip...“ . Am Ende wurden dann vier Einzelportraits der Onkelz aneinander gereiht, dazu „Keine Amnestie...“ drüber gelegt und fertig. Nichts Außergewöhnliches und auch ansonsten keine Seitenhiebe von Seiten der Laudatoren oder Moderatoren. Immerhin... Aber wäre es anders gewesen hätte es – ganz ehrlich – auch niemanden interessiert. Elegant totgeschwiegen... Gewonnen haben dann übrigens die Hosen. Von den Onkelz war auf jeden Fall niemand in der Halle.
Im Frühjahr 2003 entschließen sich die Böhsen Onkelz dazu eine Clubtour in Deutschland zu spielen...
... Ursprünglich sollten auch Knäste auf dem Programm stehen. Die Band hielt es für eine gute Idee, einmal Konzerte für die Insassen von Strafvollzugsanstalten zu geben. Zunächst gab es einige Zusagen, die dann aber leider komplett abgesagt wurden, da Gefängnisleitungen und Stadträte Bedenken anmeldeten. Eine nette Sache, so sagte man den Onkelz, aber man könne sich keine Ausschreitungen innerhalb der Anstalten leisten. Enttäuscht wurden die Gigs gestrichen und weiter an dem Plan festgehalten, eine Clubtour zu organisieren.
Gründe hierfür waren zum einen der Wunsch, einmal wieder in einem kleinen Club zu spielen, den direkteren Kontakt zu den Fans zu spüren und echtes, schwitzendes, enges Rock´n´Roll Feeling aufkommen zu lassen und zum anderen, sollten diese Clubgigs auch eine Art Aufwärmtraining für die kommenden Open Air Festivals werden. Die Clubtour im Juli 2003 durch Bremen (Aladin – 1800 Leute), Hannover (Capitol – 1800), Osnabrück (Hyde Park – 1500), Berlin (Music Hall – 900), Nürnberg (Hirsch – 800) und nach Pratteln in der Schweiz (Z 7 – 1700). Saunamäßige Temperaturen und höllisches Gedränge sorgten für eine unvergleichliche Stimmung im familären Rahmen, wobei die Fans aus Hannover und Pratteln (Basel) den hochfliegenden Vogel der Euphorie abschossen. Selten wurden die Onkelz von einer so kleinen Fangemeinde so heftig abgefeiert.
Vor das Open-Air-Vergnügen hat der liebe Gott die Vorband-Akquise gesetzt....
Bei „normalen“ Bands eine Frage von wenigen Wochen, die Nachwuchshoffnungen stehen Schlange, aber bei den Onkelz war das Ganze leider wie in der Vergangenheit wieder eine „Unendliche Geschichte“. Rund 20 Bands wurden vom BOM angefragt, immerhin mit der Aussicht auf 4 Konzerte mit zusammen rund 75.000 Zuschauern. Von einigen Gruppen kam gar keine Antwort, andere sagten erst zu, um wenige Stunden später mit dubiosen Begründungen wieder zurückzutreten. Man konnte hinter jeder Absage förmlich den Druck spüren, der teilweise von Seiten des Managements und des Umfelds auf die Musiker ausgeübt wurde. Man könnte sich mit einer Zusage ja alles versauen. So zog sich die Suche von Herbst 2002 bis in den Frühling 2003, bis dann schließlich drei Bands feststanden, die anfangs überhaupt niemand auf der Rechnung hatte, die aber sofort Feuer und Flamme waren, als wir ihnen anboten, bei den Open-Airs dabei zu sein. Das spricht für sich und auch die Reaktion der Fans auf den 4 Gigs zeigte, dass Pro-Pain, Sub7even und Biohazard keinesfalls nur „Lückenbüßer“ waren.
Ebenfalls im Juli spielen die Onkelz erneut in „Ferropolis“ und erstmalig auf dem berühmten Loreley-Felsen jeweils eine Doppelshow...
Ebenfalls im Juli spielen die Onkelz erneut in „Ferropolis“ und erstmalig auf dem berühmten Loreley-Felsen jeweils eine Doppelshow...

„Ferropolis“ (die Stadt aus Eisen) ist der Name der abgefahrensten Konzertlocation in Deutschland. Unweit von Dessau und eine gute Stunde von Leipzig liegt das verschlafene Nest Gräfenhainichen. Dort befand sich noch vor 15 Jahren ein gewaltiger Braunkohletagebau. Mit dem Fall der DDR, fiel auch das lokale Braunkohlekombinat und übrig blieben nur die gewaltigen Bagger, die nun in einem Kreis aufgestellt, eine beeindruckende, postnukleare Mad-Max Konzert Venue bilden. Die Onkelz rockten hier bereits 2001 mit Rose Tattoo und auch in diesem Jahr war das Haus voll. 25.000 Fans am ersten und knapp 21.000 am zweiten Tag. Diesmal waren Sub 7even aus Dortmund, Pro Pain aus Brooklyn und Biohazard, ebenfalls aus Brooklyn mit dabei. Mit Sub 7even pflegt man ja bereits seit dem Benefizgig für die Opfer rechter Gewalt 2001 in Bremen und seit der Tour 2002 ein sehr lockeres freundschaftliches Verhältnis und Pro Pain konnte man bereits für das Open Air in Dieztenbach 1996 und die Viva los Tioz Tour 1998 verpflichten. Neu waren Biohazard, die genauso wie Pro Pain den New Yorker Hardcore Stil pflegen und dementsprechend losgeknüppelt haben. Auf alle Fälle bringen die Jungs eine Energie auf die Bühne, wie man sie nur bei wenig Bands sehen kann. Die Amis sind reise- und tourerfahren, hatten Auftritte bei „Rock in Rio“ und haben die größten Festivals der Welt gespielt und waren sich dennoch einer Meinung, so etwas wie die Onkelzfans haben sie noch nie gesehen. Nirgendwo auf der Welt, bei keiner Band, mit der sie zusammengespielt haben, gab es einen solchen besessenen und loyalen Fansupport, wie bei den Onkelz.
Das wiederum hören die Onkelz gerne und gehen dementsprechend gut gelaunt auf die Bühne. Beide Ferropolis Konzerte verlaufen friedlich und ohne Zwischenfälle. Beschwerden über die „Abzockerei“ auf den Park- und Zeltplätzen werden jedoch laut und man kann nur hoffen, dass die Gemeinde Gräfenhainichen dieses Geld endlich in eine bessere Zufahrtsstraße investiert.

Eine Woche später am 18./19. Juli absolvierten die Onkelz ihre Loreley Premiere und es hätte kein passenderer Rahmen sein können. 35°C und blauer Himmel, dazu hunderte Wohnmobile und Zelte, die die umliegenden Wiesen und Felder belagerten. Und das schon 5 Tage vor den Konzerten. 15.000 Fans je Show am Freitag und am Samstag unterstützten die Onkelz aus vollem Halse. 2,5 Stunden Onkelzpower, angeheitzt durch Sub 7even, Pro Pain und Biohazard. Eine fette Party in nettem Ambiente, wobei sich auch Vorbands, Support und Onkelz näher kamen. Pro Pain spielten hier zum ersten Mal ihre Version vom Onkelzhit „Terpentin“ was Stephan dazu veranlasste, spontan mit einem Micro auf die Bühne zu springen und beim Singen auszuhelfen. Gefeiert wurde bis in die frühen Morgenstunden und die Loreley konnte als gelungenes Trainingskonzert für den anstehenden Rolling Stones Support verbucht werden. „Ihr seid besser als die Rolling Stones“, gesungen von den 15.000 anwesenden Onkelzfans ließ auf alle Fälle einiges für den 08.08.2003 erwarten.

2004: Stephan und ProPain
Das Jahr 2004 beginnt für die Onkelzfans mit einer ungewöhnlichen Neuigkeit. Bereits zum Ende des Jahres 2003 gab es eine Anfrage der Hardcore Band ProPain an Stephan Weidner, ob er daran interessiert sei, für das neue Album der New Yorker einige Arbeiten beizusteuern. Die Zusammenarbeit zwischen den Böhsen Onkelz und ProPain geht bekanntlich bis ins Jahr 1998 zurück, als die 4 sympathischen Musiker um Frontmann Gary Meskil, die Onkelz auf ihrer Viva los Tioz Tour durch 26 Konzertarenen begleiteten und gerade im Sommer 2003 hatte man ProPain zusammen mit der ebenfalls aus New York stammenden Hardcore Legende Biohazard zum Open Air nach Ferropolis und auf die Loreley geladen. Zusätzlich hatten sich ProPain bereits als Onkelzfans geoutet, als sie auf der Loreley 2003 zum ersten mal ihre „deutsch-amerikanische“ Version von „Terpentin“ live darboten und dafür von den Onkelzfans gefeiert wurden. Da war es selbstverständlich Ehrensache, dass Stephan sich die Bänder aus New York kommen ließ und für den Song „Godspeed“ nicht nur den Chorus schrieb, sondern ihn auch selber einsang.
In einem Statement der Band ProPain heißt es:
„Wir sind alle sehr erfreut und stolz darauf, verkünden zu können, dass Stephan einige Killer-Vocals zum Song `Godspeed´ beigesteuert hat, der auf unserem am 01.03.04 erscheinenden Album „Fistful of Hate“ zu finden sein wird. Wir wollen Stephan, den Onkelz und allen vom B.O. Management danken, dass sie dies möglich gemacht haben und hoffen, dass allen Fans diese spezielle Zusammenarbeit gefällt.“
Gary Meskil, ProPain
Die Single 2004: "Onkelz vs. Jesus"
Gegen Ende April geben die Onkelz den Titel ihrer neuen Single bekannt. „Onkelz vs. Jesus“ heißt die Veröffentlichung und reiht sich somit ein in die Lange Reihe größenwahnsinniger Provokationen, die alle in bester Onkelz-Tradition die eigene Legende hochleben lassen. Es geht in dem Song nicht etwa darum, am Image des Erlösers zu kratzen, sondern vielmehr darum, das eigene Image nicht ganz so ernst zu nehmen, wie es sicherlich der Großteil der deutschen Öffentlichkeit tut. Die Choruszeile unterstreicht diese Aussage noch, in der es heißt: „schock-non-stop bis jeder versteh´n muss, wir sind die Onkelz und bekannter als Jesus.“ Weiterhin geht es in „Onkelz vs. Jesus“ um 24 Jahre eigene kontroverse, meist planlose und nicht vorhersagbare Historie, die nun irgendwie und irgendwo an einem Höhepunkt angekommen zu sein scheint. Die Onkelz blicken zurück und tun dies in dem Kontext von „24 Jahre Onkelz“ gegen „2004 Jahre Jesus“.
Zusätzlich zum Titelsong enthält die Single jedoch noch die Anklage „Superstar“. Ein Song, in dem die Onkelz endlich ein Thema verarbeiten, das ihnen schon lange auf den Nägeln brennt. Die Verdummung der deutschen Musikindustrie, die Verarmung der musikalischen Vielflalt, hervorgerufen und voran getrieben durch elendige und langweilige Castingshows, in denen Manager wie Thomas M. Stein oder Dieter Bohlen, der von den Frankfurtern als die Wurzel allen Übels ausgemacht wurde, sich nicht zu schade sind, sich auf peinlichste Art und Weise in Szene zu setzen. Vielleicht ist es nicht der Untergang der deutschen Musik, aber sie ist durch diese Fernsehformate dem Abgrund auf alle Fälle ein ganzes Stück näher gekommen.
„Prinz Valium“, eine treibende Instrumentalnummer, rundet das Onkelzrepertoire auf dieser Single ab, das schließlich in der Coverversion des alten Who-Klassikers „My Generation“ seinen Höhepunkt findet. Nur wenige Interpreten haben sich im Laufe der letzten dreißig Jahre an diese „heilige Kuh“ heran gewagt. Zeit also, dass die Onkelz hingehen und das Vieh endlich schlachten. Ohne Zurückhaltung und ohne Respekt wird „My Generation“ von den Onkelz interpretiert und getreu dem eigenen Motto – Wir sind die Geilsten – heißt es konsequenterweise im Hause Onkelz nur noch: „besser als das Original!“
Für das Artwork der Single und des kommenden Albums, kann Stephan Weidner seinen langjährigen Freund, den kubanischen Künstler Pozo verpflichten. Stephan, der viele Bilder von Pozo in seinem Privatbesitz hat und den Künstler oft bei sich zu Hause begrüßt, erkennt sofort das Potential in Pozos Arbeit und schlägt vor, zu „Onkelz vs. Jesus“ ein Video zu drehen, was man später als DVD mit auf das Album legen kann. Pozo, der sein Atelier gerade von Barcelona nach Berlin verlegt hat, und dessen Arbeiten bereits weltweit ausgestellt werden, beginnt seine Zusammenarbeit mit der renomierten Berliner Graphik Agentur „die Gestalten“ und fortan hört man nur gute Neuigkeiten aus Berlin. Das Artwork sei fantastisch, und man müsse unbedingt alles verwenden, was Pozo ablieferte. Pozo nimmt sich nun auch alle anderen Onkelzsonge vor und bringt dazu seine Visionen auf die Leinwand.
Die Single erscheint am Montag den 21. Juni und schießt eine Woche später von null auf zwei in die Media Control Charts. Die Presse hält sich bedeckt und ignoriert den Song weitgehend. MTV und Viva machen ihre üblichen Ansagen während ihrer Chartshows und die noch seichteren Formate wie Top of the Pops, Bravo, Yam und dergleichen werden vom B.O. Management freundlich aber bestimmt abgewiesen.
Das Ende der Onkelz
Fuer alle Onkelzfans ueberraschend verkuenden die Onkelz am 24.Mai 2004 auf ihrer Homepage ihr Ende. Dabei faengt das neue Jahr so gut an. Das Management vermeldet sensationellen Kartenabsatz fuer die im Herbst geplante Deutschlandtournee und muss schon am siebten Januar die Konzerte fuer Berlin und das Abschlusskonzert in der Colourline Arena Hamburg, geplant fuer den 5. Oktober, als ausverkauft melden. Kurze Zeit spaeter gibt es auch fuer die Konzerte in der Frankfurter Festhalle und der Dortmunder Westfalenhalle keine Karten mehr und auch fuer den Gastauftritt waehrend des fuer August geplanten Open Air Festivals in Wacken werden die Tickets noch im Winter knapp. Dennoch scheinen die Onkelz mit ihrem kommerziellen Hoehepunkt an einem ideellen Endpunkt angekommen zu sein. Man will die Onkelzaera auf dem Hoehepunkt beenden, ohne zu einer Karikatur seiner selbst zu werden und veroeffentlicht hierzu ein Videostatement auf der eigenen Homepage. Das folgende Sudioalbum sei definitiv das letzte Studioalbum der Onkelz und die kommende Tour sei definitiv die letzte Tour heisst es in diesem Statement. Die Fans reagieren enttaeuscht und koennen nicht glauben, was sie hoeren. Sie spekulieren in den Foren der Band ueber den Split und wilde Geruechte machen die Runde, aber die Band ist wie immer fest entschlossen. Die Presse nimmt sich des Themas an und berichtet in gewohnter Polemik. Tatsaechlich sind die Gruende fuer die Aufloesung der angeblich kontroversesten deutschen Rockband jedoch viel alltaeglicher und nachvollziehbarer, als die Fans vermuten. Jeder Onkelzsong sei gesungen, sagt sie und jedes Bier sei getrunken. Es sei alles erreicht. Das Onkelzding sei ausgereitzt und mehr sei aus der Sache nicht mehr rauszuholen. Man ist sich einig innerhalb der Band, dass dieses Lebenswerk zu wertvoll sei, als dass man es in eine langweilige Mittelmaessigkeit abrutschen lassen moechte und bevor die Onkelz im Lager ihrer eigenen Fans an Glaubwuerdigkeit verlieren, beschliessen sie im gegenseitigen Einvernehmen das Ende der Boehsen Onkelz zu verkuenden. Die Enttaeuschung der Fans kennt keine Grenzen und wird auf den Fanseiten im Internet hitzig diskutiert, so wie in unzaeahligen Briefen und E-mails an die Band in Worte gefasst. Fuer die Onkelz jedoch gibt es kein Zurueck mehr. Sie sind der Meinung, dass gerade eine Band, die sich so oft auf ihre eigene Konsequenz berufen und so oft ihren Widerstand gegen Vereinnahmung oder Kommerz artikuliert hat, nicht den Zeitpunkt verpassen darf, an dem es genug ist. Sie sind weiterhin der Meinung, dass nur ein Ende der Boehsen Onkelz zu diesem unerwarteten Zeitpunkt ihre eigene Glaubwuerdigkeit zementiert und den Hoehepunkt der Karriere darstellen kann. Das Unkommerziellste, was man zu einem solchen Zeitpunkt tun kann, ist aufzuhoeren, heisst es im Bandlager und tatsaechlich kommt der Split zu einer Zeit, in der die Plattenverkaeufe trotz schlechter Wirtschaftslage der Musikbranche neue Hoehepunkte erreichen. Die Boehsen Onkelz sind in Deutschland zu einem einzigartigen Phaenomen heran gewachsen. Sie sind die kommerziellste Underground Band, die es je gegeben hat, der kontroverseste Mikrokosmos im Musikbusiness, der unabhaengige und autarke, allen Marktgesetzen zum Trotz blendend funktionierende Mainstream, eine Mutation im musikalischen Einheitsbrei und eine eigene Schublade im Verwaltungsapperat der Phono Akademie. Keine Band hat es jemals geschafft, die Hoerer- oder auch Nichthoererschaft so zu polarisieren, wie es die Onkelz getan haben. Keine Band ist in Deutschland jemals so heftig geliebt und so heftig abgelehnt worden. Waehrend die beiden groessten deutschen Rockmagazine, das Rock Hard und der Metal Hammer Titelgeschichten und Sondermeldungen zum Thema herausbringen und mehrfach in Frankfurt zum Interviewtermin auftauchen, bringen die unwichtigeren Magazine, die nicht mehr von ihrer voreingenommenen Haltung abweichen koennen, kleine polemische Hassmeldungen. So schreibt zum Beispiel Josef Winkler vom Musikexpress: ... Aber heissa! Da kommt die Meldung rein, dass sich die Boehsen Onkelz aufgeloest haben. Wer eine Abfuehrhilfe braucht, gehe einmal und dann nie wieder auf www.onkelz.de und lese das unfassbar schwuelstige Statement-Geseiere der Bandmitglieder...
Genauso soll man die Onkelz in Erinnerung behalten, fordert die Band, gehasst, verdammt, vergoettert?. Und so machen die Onkelz Schluss, weil sie Schluss machen muessen. Zuvor jedoch, und das sieht die Band als Versprechen an ihre Fans und als Pflicht gegenueber ihren Kritikern an, wird es ein letztes Studioalbum geben, dass die Charts erstuermen wird und eine zu 100% ausverkaufte Hallentournee unter Ausschluss der Presse.
Das Album 2004: "Adios"
Passend zu ihrem Abschied nennen die Onkelz ihr letzes Studioalbum „Adios“. Für die Öffentlichkeit platzt die Bombe erst am 24.05.2004, als die Band den Titel ihres 16. Studioalbums auf ihrer News-Seite bekannt gibt und auch gleich die nötige Erklärung liefert. Bandintern steht der Entschluss jedoch schon länger fest. Spätestens seit dem Frühjahr, als man sich darauf einigt dieses kommende Album das Letzte sein zu lassen und im Herbst die letzte Tour zu spielen, weiß man, dass die Tage der Böhsen Onkelz gezählt sind. „Die Onkelz haben ein Haltbarkeitsdatum...“ antwortet die Band oft auf die Frage nach dem „WARUM“ und fügt hinzu: „... wenn dieses Haltbarkeitsdatum überschritten wird, dann machen wir uns selbst lächerlich und ziehen alles mit in den Schmutz, was wir aufgebaut und wofür wir so lange gekämpft haben.“ Die Fans wollen davon nichts hören, werden in dieser Angelegenheit aber auch nicht gefragt. Mit 15 Songs melden sich die Onkelz ein letztes mal zu Wort und sowohl textlich, als auch musikalisch sind die Onkelz auf dem Zenit ihrer Karriere angekommen. Die Band bezeichnet „Adios“ als einen „krönenden Abschluss“ ihrer Karriere, einen letzten Tritt in die Ärsche ihrer Kritiker und einen letzten, rockigen Gruss an ihre Fans. Die Texte sind wie immer streng autobiographisch und von einer Reife, wie sie zuvor nur auf dem „weißen“ und „schwarzen“ Album zu hören war. In Irland geschrieben und in Frankfurt aufgenommen, handeln sie von Wut, Verzweiflung, Sucht und Frustration, was jedem Journalisten, der sich nur oberflächlich damit beschäftigt, ein müdes „schon wieder“ entlockt, die Fans aber reihenweise zum tanzen bringt. Keine Band in Deutschland schafft es, ihre Texte so griffig und treffend zu formulieren und sie dabei noch so hart, druckvoll und glaubwürdig vorzutragen. Als das Album am 26. Juli erscheint, steht es eine Woche später, als Neueinsteiger auf der 1 der Media Control Charts Top 100 Longplay und hält sich dort 3 Wochen lang. Das Album erreicht schließlich Platin-Status und erhält Höchstnoten in den einschlägigen Fachmagazinen.
Wie auch schon auf der Single, zeichnet der kubanische Künstler Pozo für das Artwork verantwortlich. Zusammen mit den Onkelz-Haus-und-Hof-Graphikern der „Gestalten“ Agentur in Berlin entwirft er die Welt, in der er die Songs von „Adios“ sieht. Abbröckelnder, zerfallender, kubanisch inspirierter Charme mit einer zerkratzten, rauhen Patina, schwarze Palmen und flüchtige Momente, Impressionen von Hotels, von Kommen und Gehen. Nicht nur verfügt das Album über einen mittlerweile bei Onkelzproduktionen zum Standard gewordenen, sensationellen 5:1 Sound, sondern auch das „Onkelz vs. Jesus“ Video ist als DVD beigefügt und jeder einzelne Track hat eine auf DVD abrufbare von Pozo umgesetzte, graphische Untermalung erhalten, die gerade für PC-User eine willkommene Abwechslung zum herkömmlichen Booklet darstellt.

Ebenso wie beim Thema der Bandauflösung ist die Presse auch bei der Bewertung des Albums in zwei Lager gespalten. „Die tumbe Promille Punkband meldet sich mit einem erneut ideen-, witz- und geschmacklos zusammendiletierten Longplayer zurück...“ beginnt eine Leserbewertung bei amazon.de, wo die „Adios“ drei Wochen lang als erfolgreichstes Produkt gelistet ist, und mehr verkauft, als sämtliche CDs, DVD´s und Bücher zusammen.
„Die Onkelz werden eine Lücke hinterlassen, die wohl nie geschlossen werden kann. Nie zuvor hat es eine Band gegeben, die die deutsche Musikszene und den Handel in einer solchen Form durcheinander gebracht, die so viele unterschiedliche Meinungen provoziert hat und so von ihren Fans verehrt wurde. Was bleibt, sind unendliche Hymnen über das Leben! Respekt und Danke dafür! Hut ab, vor dieser konsequenten Entscheidung!“ schreibt Sebastian Lipski im AMM Magazin nach einem langen Interview mit Stephan Weidner, während die Berliner Zeitung in ihrem Feuilleton mit „Eklige Onkelz“ titelt. „Die Böhsen Onkelz sind nicht nur die ekligste, sondern auch die erfolgreichste deutsche Rockband...“ weiß man in der Hauptstadt, wo traditionell von taz und Berliner Zeitung gegen die Onkelz Front gemacht wird. In Frankfurt interessiert sich schon längst niemand mehr für die Presse und man hat sich inzwischen daran gewöhnt, dass sich die Alben und die Konzerttickets von alleine verkaufen. Im Gegenteil, man bemustert die Redaktionen nur sehr spärlich mit dem neuen Album und lehnt 90% der Akkreditierungen für die anstehende Tour ab.
2005: Veröffentlichung: Doppel-CD „Live in Hamburg“
Das Jahr 2005 sieht zwei unterschiedliche Live-Veröffentlichungen der Onkelz, die sich zwar in ihrer Ausrichtung deutlich voneinander abheben, beide aber gleichermaßen erfolgreich sind.

Zunächst erscheint im April die Doppel-CD „Live in Hamburg“, die von 0 auf Platz 1 der Charts einsteigt. Darauf enthalten ist das gesamte letzte Konzert der Abschiedstournee „La Ultima“ in Hamburg vom 05.10.2004, bei dem mehr als 10.000 Fans mit der Band einen gelungenen vorzeitigen Abschied feiern. In Sachen Chart-Notierung mausert sich „Live in Hamburg“ zum bis dato erfolgreichsten Onkelz-Release, denn volle drei Wochen in Folge bleibt die Pole-Position der Media Control Charts fest in Onkelz-Hand. So lange hatte man sich vorher noch nicht dort eingenistet... Inzwischen ist die Doppel-DVD mit „Gold“ ausgezeichnet.
VAYA CON TIOZ
Wieso der Juni des Jahres 2005 für immer im Gedächtnis bleiben soll? Lasst uns ein bisschen zurück denken... Meteorologisch gesehen war Juni okay, ja sogar bis zu 2,1°C wärmer als im langjährigen Mittel, obwohl er sich mit nächtlichen Temperaturen um den Gefrierpunkt angekündigt hatte. Was sagt der Arbeitsmarkt? Saisonaler Rückgang der Zahl der Beschäftigungslosen. Juni halt... Im Iran gewinnt Mahmud Ahmadinedschad im zweiten Wahlgang und der Papst erklärt die Homo-Ehe zu einer Pseudo-Partnerschaft. Die deutsche Nationalelf schlägt sich beim Confederations-Cup ordentlich, ist aber von der großen Euphorie noch weit entfernt. Denkwürdig ist was anderes. Wäre da nicht dieses eine Event im Osten Deutschlands gewesen. Irgendwo zwischen Cottbus und Leipzig wurde für 5 Tage ein Retorten-Städtchen aus dem Boden gestampft, das mehr Menschen beherbergte als Kaiserslautern, Flensburg oder Fürth und zwischenzeitlich zu einer der 50 einwohnerreichsten Städte des Landes avancierte und der Region quasi im Vorbeigehen zweistellige Millionenumsätze bescherte. Was war passiert? Umsiedlung? Nein! Goldrausch? Schon lange vorbei! Begegnung der 3. Art? Irgendwie auch... Nein, die Onkelz hatten geladen und alle kamen. 120.000 Menschen fanden den Weg in die Lausitz, um gemeinsam mit der Band einen Abschied zu zelebrieren, wie man ihn (denk-)würdiger nicht gestalten könnte. Dass das Wochenende vom 17. und 18.6. seinen verdienten Eintrag in die Annalen des Rock´n´Roll wird finden können, ist einigen schicksalhaften Ereignissen Anfang der 80er des geschuldet, die hier nicht weiter thematisiert werden sollen – ja sowieso schon bekannt sind. Als im Mai 2004 – kurz vor der Veröffentlichung des letzten Studioalbums „Adios“ – die Weichen auf Abschied gestellt wurden, gab es kein Zurück. Nach 25 Jahren Karriere, hatte man sich auf dem Höhepunkt selbst „Auf Wiedersehen!“ gesagt, um mit 6 Millionen verkauften Platten, 5 Nummer 1-Platzierungen, ausverkauften Tourneen und – viel wichtiger noch – einer einmaligen Vita voller Widerstände, erbitterter Bekämpfer und dafür einer gewaltigen Masse loyalster Anhänger im Rücken abzutreten. Wenn das Wort „einzigartig“ jemals legitim anzubringen war, dann doch wohl in diesem Zusammenhang. Um dieser Laufbahn gerecht zu werden – und das war schnell klar – genügte ein einfaches Farewell-Konzert nicht. Ein Festival musste her und das an zwei Abenden, um möglichst vielen Fans möglichst viel Material präsentieren zu können.
VAYA CON TIOZ hiess das Motto und wer sich die Dimension dieser Veranstaltung vor Augen führen möchte, der verinnerliche bitte folgende Zahlen, die recht wahllos, aber doch exemplarisch aus der Reihe der Superlative heraus gegriffen sind:

- 700.000 Watt Tonleistung
- rund 60 Tonnen Material alleine für Bühne und P.A.
- 600 Tonnen Müll
- 2 Millionen Liter Abwasser
- 120.000 Zuschauer und 80.000 auf der Warteliste, die leer ausgehen mussten
- mehr als 1000 Securities

Dass es gleichzeitig für eine Großstadt unterdurchschnittlich wenige Straftaten, Unfälle und sonstige Unrühmlichkeiten zu vermelden gab, dass von allen externen Instanzen wie Behörden, Anwohnern oder Gastronomen nur Lob und Anerkennung gezollt wurde, ist euch, unseren Gästen zu verdanken.

Liest sich gut, oder? Allerdings fehlen die Referenzgrößen. Was sind 700.000 Watt? Viel? Gigantisch? Was macht meine Bang&Olufsen im Wohnzimmer? Keine Ahnung... Wie groß das ganze Ding war, ließ sich erst erahnen, als die Zahlen begannen, plastisch begreifbar zu werden. Mittwochs am frühen Morgen öffneten sich die Schleusen und eine Flutwelle von Onkelznomaden ergoss sich aufs Veranstaltungsgelände. Die Vorhut sozusagen, schließlich sollte es ja erst am Freitag richtig losgehen.

Schon der Donnerstag hat eine erste ernste Idee parat, was sich abspielen könnte, an den nächsten zwei Tagen. Diese Retortenstadt, zeitlich stark begrenzt aus dem Boden gestampft, ist erfüllt mit Leben. Der große Onkelzfan-Exodus gen Osten scheint beinahe abgeschlossen, zwischen 50- und 80.000 sollen es am frühen Nachmittag schon sein. Die ersten Siedler haben sich niedergelassen und begonnen, heimisch zu werden. Jeder richtet sich sein Refugium ein und sozialisiert sich und sein Umfeld. Piratenflaggen an Fahnenmasten, ein Meer aus Wohnmobilen, Zelten und Autos, begrenzt von Wald und Autobahn. Zäune, hunderte, tausende Metern von Zäunen, Zäune die in Betonblöcken stehen, Securityposten, Kontrollen, breite Schultern, schwarze Hemden, Sonnenbrillen, ein endloser Treck in schwarz, aufgerollte Schlafmatten unter dem Arm, über Zelte, Grillerei, Rauchfahnen, Leute haben ihre Wohnzimmergarnitur mitgebracht, Boxen, Liegestühle, Sofas, überall Sombreros, noch mehr Boxen, dort ein desolates Camp mit Technomusik, pralle Sonne, Kiefer knirschen, so schön kann Vorfreude sein. Weiter westwärts noch endlose Autoschlangen im Stau in einem Anfahrtssystem, das schon vor Stunden kollabiert ist. Leute schieben ihre Autos, Bierflaschen auf dem Autodach wackelnd, andere sitzen biertrinkend und sombrero-behelmt auf den Dächern fahrender oder fahrbereit scheinender Autos, wenn es nur weiter ginge und die Bullen schauen nur doof und wären sicher zu einem guten Teil selber gerne dabei.

Irgendwie sieht alles nach einem gigantischen Barbecue aus. Mittendrin Federball, noch mehr Rauchfahnen, Kotelett auf dem Grill, der Typ, Kippe im Mund, Bierflasche in einer Hand, Grillzange in der anderen, Kleinstadt-Idylle in der Diaspora. An den Duschcamps, quer übers Gelände verteilt, herrscht ganztägig Hochbetrieb. Die Sonne knallt und der Staub kriecht in alle Poren. Gewaltige Fußmärsche zu den Wasserstellen nehmen die Reinlichsten mehrmals täglich auf sich, Leute mit Waschzeug unter dem Arm überall und hunderte, Gieskannen, Eimer mit Wasser werden quer übers ganze Gelände geschleppt. Die Luft knistert und es ist doch erst Donnerstag Nachmittag.

Die Bühne ist keine Bühne, das ist ein Monstrum. 75m breit, 15m hoch, Vaya con Tioz – Deko, 40 Tonnen Stahl sind hier verbaut, dazu 16 Tonnen fürs Licht und immerhin noch acht für den Ton, dazu zentnerweise Deko-Fragmente. Vaya Con Tioz-Engel überall. Genickstarre für die ersten 15 Reihen! Von hier aus also sollten die Tioz-Jünger aus den Händen der Onkelz an zwei Abenden hintereinander die Hostie empfangen.
2 Leinwände hängen rechts und links an der Bühne, dazu 6 Delay-Tower – jeweils 2 gegenüber - die im Abstand von 80 Metern Ton und Bild in den 400 Meter langen Zuschauerbereich transportieren sollen.

Am Donnerstag kommen auch die Onkelz zum ersten Mal zum Soundcheck aufs Gelände. Sonst so cool, kommen die vier aus dem Staunen erstmal gar nicht raus. Auf dem Papier sind 75 Meter Breite doch noch etwas ganz anderes als in der Natur.
Die ersten zaghaften Töne erklingen und an den Zäunen rund um den Bühnebereich versammeln sich Tausende, zunächst ungläubig, dann staunend. 400 Meter Entfernung zur Band lassen zwar keine Close-ups zu, aber wenigstens gibt es freie Sicht über das gesamte weite Feld, wo morgen über 100.000 Mann ameisengleich durcheinanderwuseln würden. Kein Fleck unbedeckt. wo sich zahlreiche Crew-Mitglieder tummeln und sich den Soundcheck anschauen. „Onkelz 2000“, „Wieder mal ´nen Tag verschenkt“, „28“ und „Hier sind die Onkelz“ werden komplett geprobt, alles schon hunderte, tausende Male gemacht. Es wirkt doch alles sehr routiniert – im positiven Sinne. Die Handgriffe sitzen perfekt, die Technik läuft sowieso. Heute steht in erster Linie Dimensionsanalyse auf dem Plan, gewöhnen an die neuen Ausmessungen. Eine Generalprobe konnte es nicht geben, auch wenn man ja nicht vollkommen unbeleckt ist, was große Bühnen angeht. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint und nach einer Stunde ist der Spuk schon wieder vorbei. Auf der Autobahn nebenan staut sich der Verkehr weiterhin kilometerweit. Die Blechlawine rollt ganz gemächlich weiter, während der Mensch auf dem Seitenstreifen grillt oder Fußball spielt. Null Stress. Trotzdem: Glücklich der, der schon sein Plätzchen gefunden hat.

Im Infield lassen die Speedfreaks langsam ihre Dragster und Muscle Cars heiß laufen. Kaum zu glauben, wie laut diese Dragster sind. Die Luft dröhnt und der Sound wird von der Haupttribüne mehrfach zurück geworfen. 15.000 Leute sitzen da und lassen sich die Trommelfelle durchschütteln. Hochstimmung und die Racer werden begeistert abgefeiert. Die mobile Zeitnahme steht und Peter Ritscher, der Onkelz Dragster Pilot hat die ganze Szene mobilisiert, um hier eine wirklich beeindruckende Show abzuziehen.
Neben den Profis bestreiten die „Public Racer“ den Hauptteil des Programms. 128 Teilnehmer aus eurer Mitte sind dem Ruf gefolgt und haben ihre Kisten an den Start gebracht. Und was für geniale Kreationen dort auf die Piste rollten. Ein Onkelz-Trabbi mit einer „28“ auf den Türen und satten 250 PS, eine gelbe Renn-Ente, ein Golf mit Flügeltüren, eine Cobra, ein uralter 50er Jahre Käfer mit zwei Hippie-Piloten aus Essen, Mustangs und Corvettes, Pick-ups und Mantas und eine ganze Reihe von professionellen Dragstern und Topfuelern. Erst wurden die Karren paarweise an die Startlinie gebeten, um dann zunächst einen dezenten Burnout hinzulegen und gleich danach wurde die Quarter-Mile geballert. 8,7 Sekunden und 230 Sachen für den Onkelz-Dragster von Peter Ritscher ist definitiv rekordverdächtig.

Ein nettes Budget hatte der B.O.S.C. von den Onkelz zur Verfügung gestellt, um für die kickwütigen unter den Besuchern ein sehr nettes Fußballturnierchen anzubieten. 16 Mannschaften kämpfen jeweils stellvertretend für ihr Bundesland um Ruhm, Ehre und die Anerkennung der rund 300 Fans, die den Weg vom Ring ins benachbarte Klettwitz gefunden haben. 10 Mann pro Team wurden Wochen vorher ausgewählt, vor Ort eingekleidet und direkt ohne größere Umwege auf den Platz geschickt. Großer Sport auf kleinem Feld, immer 1x15 Minuten, ohne Seitenwechsel. Dafür mit mehr oder weniger qualifizierter Kommentierung durch die Anwesenden. Die einen, durch Alkohol, undisziplinierte Mitspieler oder andere Katastrophen leicht desolat, andere bis in die Haarspitzen motiviert, alle lustig. Im Finale behielten schließlich übrigens die technisch versierten Baden-Württemberger die Oberhand gegen die aufopferungsvoll kämpfende Auswahl aus Sachsen-Anhalt.

In den beiden Partyzelten – strategisch günstig an beiden Enden des Areals platziert – ist seit gestern beinahe rund um die Uhr Programm. Wer Bock hat, kann hier sieben Mal pro Tag „Mexico“, „So sind wir“ oder „Die Firma“ hören, die Bands aus der zweiten Reihe geben sich die Klinken in die Hand und nutzen die Gelegenheit, mal vor vollem Haus zu zocken. Diverse Coverbands, ausgewählt unter zig Bewerbern, spielen eigentlich immer dasselbe, aber der Onkelz-Fan ist eben wegen Onkelz da und will es sich am liebsten ununterbrochen geben. Dazwischen gerne auch mal ein ganz kurzer, beinahe verschämter Blick über den Tellerrand hinaus. Doomfoxx, V8Wankers, Wonderfools, Bettie Ford und Junkhead. Zelt-Pogo vom Feinsten, es ist rutschig und ständig packt sich irgendwer hin. Egal, keine Verschnaupause und weiter, bis der Zeltboden vor Schmerzen schreit und schließlich irgendwann am Freitag Abend nachgibt. Kann passieren, ist ja schließlich Onkelz-Exstase. Auf jeden Fall ist Zelt Nummer eins, das neben dem „Titty Twister“, erstmal dicht...

... und kommt so auch nicht mehr zu Onkelz-Ehren. Nein, nicht Coverband-Ehren... Echte Onkelz, getarnt, inkognito, unangekündigt und vor allem zum Anfassen, angelockt von der Produktionsleitung. Gonzo und Pe hatten sich Gitarre und Drumsticks geschnappt, um sich auf altbekanntes Terrain zu wagen und vor 60 Nasen die Bühne einer perplexen Coverband geentert. Kurz die Lage gecheckt, zwei Songs drauflosgerockt, ein paar Photos gemacht und direkt wieder abgedüst. Eine sehr lässige Aktion, die die Beteiligten sicher nicht mehr so schnell vergessen werden.

Als sich gegen Mittag die Schleusen öffnen, schwappen die Schwarzen Horden sturmflutartig aufs Gelände. Nicht tröpfchenweise, sondern sturmflutartig. Zu groß ist die Angst, etwas zu verpassen. Schnell mal alles angeschaut, wo steht die Bühne? Boah! Wo gibt’s was zu trinken? Die Spielzeiten der Vorbands waren zwar bekannt, aber klar, hier und heute geht es nur um eins. Onkelz – nicht mehr, nicht weniger! Die erste Reihe entfaltet wieder ihre gewohnte Wirkung und hat schon die ersten Opfer angesogen, die, die immer dastehen und andere, die es sich zum Abschluss noch mal richtig besorgen wollen inkl. 10 Stunden Anlauf, Stehmarathon und immer dicht vor der Dehydrierung.
An den beiden Tagen geben sich im Vorprogramm Acts die Klinke in die Hand, die entweder schon mit den Onkelz gespielt haben oder schon länger zu den Favoriten der Band zählen. Dazu die eine oder andere Reminiszenz an den Publikumsgeschmack. In loser Folge: Motörhead, Wonderfools, D-A-D, Psychopunch, Sub7even, In Extremo, Discipline, Children of Bodom, Machine Head, Pro-Pain, Rose Tattoo und J.B.O. Da machten die unerfreulichen Absagen im Vorfeld – Marky Ramone, Turbonegro und Bombshell Rocks hatten trotz Zusagen noch gekniffen, Monster Magnet schoben anderweitige Verpflichtungen vor.

Als dann endlich jeweils um kurz nach 11 die Onkelz auf der Bühne auftauchten, brachen natürlich alle Dämme. Man kann es wirklich kaum in Worte fassen, dieses Meer aus Armen und Händen, diese Euphorie und diese totale Hingabe von beiden Seiten. 200.000 Hände im Takt und 200.000 Arme die hin und hergehen und aus 100.000 Kehlen kommt ein Sturm an Begeisterung und Dankbarkeit. Das Echo, das teilweise über den Platz flog, holte sich selber ein und trug zu einer Stimmung bei, die eigentlich nur als eine Art Trance oder Rock´n Roll Glückseeligkeit oder irgendetwas schwer Definierbares in dieser Richtung bezeichnet werden kann. Zweimal jeweils 2 _ Stunden Vollgas, bis an die Grenzen der Belastbarkeit.
2006: Kevin – Rückfall
Im Januar sorgt Kevin für einen Schock in seinem Umfeld und innerhalb der Fangemeinde. Nach einem Drogenrückfall wird er an seinem Geburtstag von Stephan im seinem Hotelzimmer gefunden und in der gleichen Nacht in ein künstliches Koma versetzt. Neben verschiedenen weiteren Symptomen ist unter anderem sein Gehirn aufgrund eines bakteriellen Infekts angegriffen, was mehrere Operationen und einen längeren Aufenthalt auf der Intensivstation nötig macht. Lange lässt sich keine Diagnose wagen, ob und in welcher Form Kevin wieder auf die Beine kommt. Wie durch ein Wunder macht er während seiner Reha-Maßnahmen allerdings solche Fortschritte, dass er mittlerweile praktisch komplett wieder hergestellt ist.

Unterdessen schickten die Onkelz-Fans kistenweise Genesungswünsche an die Adresse des B.O. Managements, die den Heilungsprozess nach Kevins Angaben beschleunigten. „Das hat mir soviel Kraft und Mut gegeben in Situationen, in denen ich schon am verzweifeln war und dachte, ich werde nie mehr der alte Käfer!“
„B.O.S.C. Rocks“ in Schwarzheide
Im Jahr 2006 halten sich öffentliche Auftritte in Grenzen. Hinter den Kulissen wird der Release der „Vaya con Tioz“-DVD vorangetrieben und man widmet sich vereinzelt schon den Vorarbeiten zu kommenden Solo-Projekten. Einzig im Juni kommt die Band beinahe komplett zusammen, um auf dem vom B.O.S.C. veranstalteten „B.O.S.C. Rocks“ gemeinsam mit rund 5.000 Fans den ersten Jahrestag des Abschiedskonzertes zu begehen. Einen Steinwurf von den Originalschauplätzen entfernt, hatten Thomas Hess, Ralf Werner und Crew in Schwarzheide ein Festival aufgezogen, um in familiärem Rahmen einen Hauch der letztjährigen Atmosphäre noch einmal aufleben zu lassen und dafür 8 Bands eingeladen, die bereits beim großen Vorgänger dabei waren. An zwei Tagen sorgten Sub7even, V8Wankers, Wonderfools und Psychopunch, dazu Glorreiche Halunken, Stainless Steel, Enkelz und Engel in Zivil für gute Stimmung vor der Bühne. Höhepunkt des zweiten Abends ist der Auftritt der Nordend Antistars, bei dem Stephan und Daniel Wirtz (Sub7even) drei Songs performen.

Tagsüber schrieben Kevin, Stephan und Pe stundenlang Autogramme, konnten letztendlich aber doch nicht jeden Wunsch erfüllen. Für Kevin war es der erste öffentliche Auftritt nach seinem schweren Drogenrückfall Anfang des Jahres, dementsprechend euphorisch waren die Reaktionen, dass der Sänger sich wieder fit und erholt zeigte.
2007: "Vaya Con Tioz" DVD
Am 16.02.2007 erscheint die 4-fach DVD zu "Vaya Con Tioz" – dem Abschiedskonzert der Onkelz auf dem Eurospeedway Lausitz.

 

 
 
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